Preisrisiken für Lieferanten

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Preisrisiken für Lieferanten


Die deutsche wie internationale Wirtschaft musste zuletzt mit gravierenden Belastungen umgehen, angefangen bei der Corona-Krise bis hin zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Diese und andere Faktoren führen zu Rohstoff- und Warenknappheit und zu teils erheblichen Steigerungen von Rohstoff- und sonstigen Materialpreisen.

Regelmäßig stehen deutsche Unternehmen derzeit also vor der Problematik, dass die von ihnen ursprünglich kalkulierten und mit ihren Abnehmern vereinbarten Preise aufgrund allgemeiner Preissteigerungen nicht mehr auskömmlich, im schlimmsten Fall gar ruinös sind.

Eine nachträgliche einseitige Änderung bereits vereinbarter Preise oder Konditionen ist aber nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen möglich, ein wirksamer Vertrag ist grundsätzlich von beiden Parteien so zu erfüllen, wie er geschlossen wurde.

Dieser Beitrag nimmt einige ausgewählte vertragliche und gesetzliche Ansatzpunkte in den Blick, wie sich der Lieferant ggf. aus seiner Zwangslage befreien (oder dieser vorbeugen) kann.


1. Vertragliche Regelungen

1.1 Vertragsanpassungsklauseln


Der betroffene Lieferant sollte zunächst prüfen, ob er sich gegenüber seinem Abnehmer auf vertragliche Vereinbarungen stützen kann, die eine Preisanpassung im Falle von nach Vertragsschluss gestiegenen Rohstoff- oder Materialpreisen ermöglichen.

In aller Regel enthalten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Lieferanten solche Klauseln (besonders häufig in Form von sog. Kostenelementeklauseln, Indexklauseln, Spannungsklauseln oder Vorbehaltsklauseln). Die Erfahrung der vergangenen Monate hat aber auch gezeigt, dass in der Praxis eine ganze Reihe von AGB-Dokumenten verwendet werden, die veraltet und/oder unvollständig sind. Das führt zu Frustration bei dem betroffenen Lieferanten, weil er sich in trügerischer Sicherheit wog, die ihm „seine“ AGB im Ernstfall dann nicht bieten können. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wird nochmals deutlich, wie wichtig es ist, AGB regelmäßig zu prüfen und zu aktualisieren.

Wer sich zu seinen Gunsten auf eine Preisanpassungsklausel berufen möchte, muss sicherstellen, dass „seiner“ Klausel nicht die AGB-rechtliche Unwirksamkeit entgegengehalten werden kann.

Bekanntlich müssen AGB-Klauseln nicht nur wirksam in den jeweiligen Vertrag einbezogen worden sein, sie müssen darüber hinaus auch der strengen AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle genügen. Diese strengen Anforderungen des AGB-Rechts sind auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr (B2B) zu beachten. Auch dort darf eine Klausel des AGB-Verwenders den jeweiligen Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen.

Die Formulierung einer AGB-rechtlich wirksamen Preisanpassungsklausel erfordert viel juristische Sachkunde und sprachliches Fingerspitzengefühl. Sie ist etwa dergestalt zu formulieren, dass sie dem Lieferanten (als dem Klauselverwender) nicht erlauben darf, einseitig nachträglich seinen Gewinn – anlässlich der Kostenerhöhungen – zu steigern, anstatt schlicht Kostenerhöhungen auszugleichen. Sie darf auch nicht nur an Erhöhungen bestimmter Kosten anknüpfen ohne zu berücksichtigen, ob sich die Gesamtkosten überhaupt erhöht haben. Überdies müssen für den Abnehmer die Kriterien für die geforderte Preisanpassung nachvollziehbar sein, so dass er die Behauptung einer vermeintlichen Kostenerhöhung auch überprüfen kann. Letztlich ist jede Klausel, wie so oft im AGB-Recht, anhand der Umstände des Einzelfalles zu formulieren bzw. prüfen. „One size fits all“ funktioniert hier nicht.

1.2 Force Majeure-Klauseln


Neben Preisanpassungsklauseln berufen sich Lieferanten bisweilen auf „Force Majeure“-Klauseln (höhere Gewalt) in ihren AGB bzw. im jeweiligen Liefervertrag, um für sich hieraus einen Anspruch auf Vertragsanpassung abzuleiten. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass Force Majeure-Klauseln typischerweise eine andere Konstellation regeln sollen. Ein Fall von Force Majeure liegt in der Regel (nur) dann vor, wenn eine Partei durch ein externes Ereignis an der Leistungserbringung gehindert ist und deshalb (abhängig von der jeweiligen Klausel) für eine bestimmte Zeitspanne von ihrer Leistungspflicht befreit wird. Regelmäßig erfassen Force Majeure-Klauseln im Ergebnis nicht den hier interessierenden Fall von Preissteigerungen bei gleichzeitig weiterhin bestehender Möglichkeit der Leistungserbringung seitens des Lieferanten. Die Leistungserbringung mag teurer geworden sein, unmöglich ist sie damit nicht.

1.3 Individuelle Preisvereinbarungen


Nach dem Gesetz – und vorbehaltlich abweichender vertraglicher Vereinbarungen – trägt grundsätzlich der Verkäufer bzw. Lieferant das sog. Beschaffungsrisiko. Wenn ihm die Beschaffung benötigter Rohstoffe oder Vormaterialien etwa durch gestiegene Preise erschwert wird, entlastet ihn das grundsätzlich nicht von den Verpflichtungen, die er gegenüber seinem Abnehmer eingegangen ist.

Ein Beispiel: Streit gab es zuletzt v.a. in solchen Konstellationen, in denen der Vertragsschluss (beispielhaft) im Januar erfolgte, die eigentliche Materialbeschaffung im Juni, die Fertigung im September und die Auslieferung im Dezember. Der Preis, den man im Januar vereinbart hatte, war aber wegen gestiegener Materialpreise für den Lieferanten schon im Juni nicht mehr auskömmlich und wegen überdies gestiegener Energiepreise im September nicht mehr tragbar.

Bis zu einem gewissen Grad können individuell ausgehandelte Preisvereinbarungen hier Abhilfe schaffen, die etwa bestimmen, dass dem zu zahlenden Endpreis der konkrete Materialpreis zugrunde gelegt wird, den der Lieferant im (siehe Beispiel oben) Juni tatsächlich zu zahlen hatte. Oder es wird vorab ein Preiskorridor vereinbart (von +/- X Prozent), innerhalb dessen der letztlich vom Abnehmer zu zahlende Preis vom ursprünglich vereinbarten Preis abweichen darf.

Derartige Vereinbarungen sind allerdings grundsätzlich nicht in AGB möglich oder zulässig. Hierfür ist eine individuell zwischen den Parteien ausgehandelte Vereinbarung erforderlich. Die Gerichte setzen hierfür hohe Hürden: Derartige individuelle Preisvereinbarungen müssen zwischen den Parteien „frei ausgehandelt“ werden, d.h. der Lieferant muss im Streitfall beweisen können, dass sein Abnehmer die reale Möglichkeit hatte, den Inhalt der Vereinbarung mitzubestimmen.

2. Gesetzliche „Lösung“ über die Störung der Geschäftsgrundlage?


Fehlt es an einschlägigen vertraglichen Regelungen, kann sich aus dem Gesetz ein Anspruch auf Preisanpassung ergeben. So sieht etwa § 313 BGB einen Anspruch auf Vertragsanpassung wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“ vor. Eine Störung der Geschäftsgrundlage liegt allerdings nur im Ausnahmefall vor und zwar dann, wenn das unveränderte Festhalten am Vertrag für eine Partei unter Berücksichtigung sämtlicher Einzelfallumstände und insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung unzumutbar ist. In diesem Fall besteht ein Anspruch gegen den Vertragspartner auf Anpassung an die veränderten Verhältnisse (d.h. es erfolgt keine automatische Anpassung durch das Gesetz). Was die gesetzliche Risikoverteilung angeht, ist wieder das o.g. Beschaffungsrisiko zu beachten, welches grundsätzlich der Verkäufer/Lieferant zu tragen hat. Dieser tut also gut daran, dieses Risiko vertraglich von sich zu weisen.

Wann eine Preissteigerung dazu führt, dass für den Lieferanten ein Festhalten am ursprünglichen Vertrag unzumutbar ist, lässt sich nicht schematisch beurteilen. Die Hürden sind hoch und es müssen stets die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. In der Vergangenheit hat die Rechtsprechung z.B. bei einem Anstieg der Herstellungskosten auf das 15-fache oder (auch schon) um 60% eine sog. Äquivalenzstörung angenommen, die eine Vertragsanpassung rechtfertigt. Auch wenn diese beiden Einzelfälle auf den ersten Blick scheinbar nicht zusammenpassen, ist zu bedenken, dass eine Vervielfachung der Kosten bei insgesamt sehr niedrigen Kosten weniger starke Auswirkungen haben kann als ein Anstieg um 60% bei ohnehin schon hohen Kosten. Maßgeblich wird daher sein, wie wesentlich die konkrete jeweils vom Preisanstieg betroffene Kostenposition in der Gesamtbetrachtung die Herstell- oder Lieferkosten steigert und wie sich infolgedessen das Verhältnis zur Gegenleistung (d.h. dem Kaufpreis) darstellt.

3. Praxishinweise


Unabhängig von der rein rechtlichen Betrachtung gibt es in der Praxis natürlich regelmäßig wirtschaftliche Abhängigkeiten und Zwänge. Lieferant und Abnehmer sind häufig in einem gewissen Maß voneinander abhängig und ein Rechtsstreit würde unweigerlich zu weiteren Disruptionen in der Lieferkette führen.

Stellt ein Lieferant etwa mit Verweis auf erheblich gestiegene Preise die Belieferung seines Abnehmers ein bzw. macht diese abhängig davon, dass der Abnehmer die gestiegenen Kosten (mit) trägt, so droht der Lieferant in Verzug zu geraten und sich gegenüber seinem Abnehmer schadensersatzpflichtig zu machen. Zudem fehlt ihm der Kaufpreis. Dem Abnehmer wiederum fehlt die bestellte Ware und er droht seinerseits in Bedrängnis zu geraten. In vielen Fällen der vergangenen Monate haben Auftraggeber und Auftragnehmer daher versucht, eine kaufmännische Einigung zu finden, um die Belieferung sicherzustellen.

Bei der Verhandlung einer solchen Kompromisslösung hilft aber naturgemäß, wenn man wirksame AGB und vorteilhafte Vertragsbestimmungen auf seiner Seite hat.


Mehr Informationen

Dr. Fabian Breckheimer




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