Checkliste Gesellschaftsrecht: Videokonferenzen im Aufsichtsrat

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Die Corona-Pandemie führt zu den unterschiedlichsten Herausforderungen im unternehmerischen Kontext. Reale Treffen sind in Zeiten hoher Infektionszahlen und gesetzlich beschränkter Kontaktregeln häufig praktisch unmöglich, jedenfalls aber schwierig. Das stellt gerade Aufsichtsräte von Unternehmen aller Größen vor ungewohnte Schwierigkeiten.

Wenn ein physisches Treffen unmöglich ist, bleibt als dem nahekommende Alternative die Videokonferenz für eine Aufsichtsratssitzung. Leider sehen die rechtlichen Rahmenbedingungen (insb. Gesellschaftsvertrag und Geschäftsordnung des Aufsichtsrats) diese Möglichkeit häufig nicht vor.

Mit dem COVID-19-Gesetz hat der Gesetzgeber versucht, flexible Verfahren zu ermöglichen. Es enthält jedoch keine allgemeine Regelung, wonach Sitzungen des Aufsichtsrats per Videokonferenz abgehalten werden können und bietet in diesem Zusammenhang somit keine unmittelbare Hilfe.

DIE KERNFRAGE
Kann der Aufsichtsrat per Videokonferenz wirksam Entscheidungen treffen bzw. Beschlüsse verabschieden und falls ja, unter welchen Voraussetzungen und was ist dabei zu beachten?

tradeo berät Unternehmen, Geschäftsführer und Aufsichtsräte u.a. im Gesellschaftsrecht, insbesondere auch bei internationalen Sachverhalten. Um unsere Mandanten zu unterstützen und Aufsichtsräten in dieser kritischen Zeit eine Handlungsempfehlung an die Hand zu geben, haben wir nachfolgend eine Checkliste mit 8 wichtigen Tipps für Sie zusammengestellt – diese sollte es Ihnen erleichtern, den Aufsichtsrat handlungs- und beschlussfähig zu halten.

8 Tipps für Aufsichtsratssitzungen während der Corona-Pandemie


TIPP 1
Gesellschaftsvertrag und (sofern vorhanden) Geschäftsordnung des Aufsichtsrats checken: Sind explizite Regelungen zu Videokonferenzen enthalten?

TIPP 2
Kommunikation mit und innerhalb des Aufsichtsrates sicherstellen:
Wie steht der Aufsichtsrat (und insbesondere dessen Vorsitzender) zu Videokonferenzen? Regelungen für Sitzungen/Beschlussfassungen via Videokonferenz diskutieren!

TIPP 3
Klarheit für die Aufsichtsratsmitglieder schaffen:

a) Aufsichtsrat verabschiedet eine Geschäftsordnung, in der Videokonferenz explizit zugelassen wird; alternativ:
b) Satzungsänderung, so dass Aufsichtsratssitzungen via Videokonferenz schon aufgrund der Satzung gestattet sind.



TIPP 4
Sorgfältige Abwägung darüber, ob im konkreten Einzelfall die Aufsichtsratssitzung als Präsenzsitzung oder per Videokonferenz durchgeführt werden soll.
Zu beachtende Aspekte:

a) Agenda der anstehenden Sitzung und Dringlichkeit (z.B. rein vorbereitende Diskussionen; Eilentscheidungen in der Unternehmenskrise; Bilanzsitzung etc.)
b) Vor- und Nachteile einer Präsenzsitzung (Vorteile z.B.: besserer gruppendynamischer Austausch; Nachteile z.B.: Reiseaufwand mit Infektionsrisiko; Maskenpflicht)
c) Vor- und Nachteile einer Sitzung per Videokonferenz (Nachteile z.B. technische Schwierigkeiten, geringere Möglichkeit zur Interaktion, wenig Gruppendynamik)




TIPP 5
Falls im konkreten Einzelfall eine Präsenzsitzung stattfinden soll oder muss, ist diese Corona-konform zu gestalten:

a) Die jeweils geltenden gesetzlichen Corona-Regeln beachten, etwa hinsichtlich des zu gewährleistenden Mindestabstands zwischen den einzelnen Sitzungsteilnehmern;
b) Desinfektion von Arbeitsgeräten, Tischen und Stühlen vor und nach der Sitzung;
c) Bereitstellung von Desinfektionsmittel für die Sitzungsteilnehmer bei Eintreten in den Sitzungsraum;
d) Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes jedenfalls auf dem Weg bis zum Sitzplatz des jeweiligen Aufsichtsratsmitglieds und während etwaiger Pausen.



TIPP 6
Falls im konkreten Einzelfall eine Videokonferenz abgehalten wird:

a) Technik bereitstellen, die Vertraulichkeit und Datenschutz gewährleistet und insb. hinsichtlich Verschlüsselungsverfahren dem aktuellen Stand der Technik entspricht und jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied mit zumutbarem Aufwand zugänglich zu machen ist;
b) Sicherstellen, dass Ton und Bild in hinreichender Qualität während der gesamten Dauer der Videokonferenz gewährleistet sind;
c) gruppendynamische Prozesse ermöglichen, ggf. in Breakout-Sessions;
d) Diskussion und Entscheidungsfindung moderieren.



TIPP 7
Haftungsrisiken der Aufsichtsratsmitglieder minimieren:
Sollte einzelnes Aufsichtsratsmitglied mit Sitzung per Videokonferenz im konkreten Einzelfall nicht einverstanden sein:

a) Bedenken dem Aufsichtsrat mitteilen
b) ggf. auch Information an die Gesellschafter



TIPP 8
Keine starre Mindestanzahl physischer Sitzungen festlegen. Beachten: Eine Sitzung via Videokonferenz darf die Präsenzsitzung nicht grundsätzlich ersetzen (andernfalls ggf. Haftungsrisiken für die Aufsichtsratsmitglieder).

Sie haben noch Fragen zu weiteren gesellschaftsrechtlichen Themen rund um die Coronakrise oder andere unternehmerische Anlässe? Sprechen Sie uns an!


Tobias Karrenbrock, LL.M. (M&A)
karrenbrock@tradeo.legal

Birthe Becker-Inglau, LL.M. (Sydney)
becker-inglau@tradeo.legal

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