Arbeitgeber dürfen Rückkehr aus Homeoffice anordnen

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Arbeitsrechtliche Berichterstattung von Julia Sontheimer

Julia Sontheimer, Fachanwältin für Arbeitsrecht, informiert regelmäßig über praxisrelevante arbeitsgerichtliche Entscheidungen.

Arbeitgeber dürfen eine Rückkehr aus dem Homeoffice anordnen

Während der Corona bedingten Lockdowns haben die meisten Arbeitnehmer aus dem Homeoffice gearbeitet. In vielen Betrieben wird die Homeoffice-Tätigkeit auch weiterhin fortgeführt. Werden die Arbeiten nicht ordnungsgemäß erledigt oder kommt es zu sonstigen Unstimmigkeiten, stehen die Arbeitgeber vor der Frage, ob und wie sie ihre Arbeitnehmer aus dem Homeoffice wieder zurück ins Büro beiordnen kann.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) München hat sich mit genau dieser Frage in seinem Urteil vom 26.08.2021, Az.: 3 SaGa 13/21 beschäftigt und festgestellt, dass die Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt sein können, eine Rückkehr aus dem Homeoffice anzuordnen.

Der Sachverhalt

Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der als Grafiker beschäftigt war. Seit Dezember 2020 hatte der Arbeitgeber seinen sämtlichen Arbeitnehmern, mit Ausnahme des Sekretariats, das im eingeschränkten Umfang vor Ort tätig war, die Tätigkeit aus dem Homeoffice erlaubt. Die Arbeitnehmer waren jedoch verpflichtet, ihre Homeoffice-Arbeitszeiten elektronisch zu erfassen. Nachdem der Kläger gegen diese An- und Abmeldepflichten mehrfach verstoßen und unentschuldigt bei virtuellen Mitarbeitermeetings gefehlt hatte, mahnte der Arbeitgeber ihn ab und ordnete für ihn die Anwesenheitspflicht im Büro an.

Der Arbeitnehmer klagte vor dem Arbeitsgericht gegen diese Weisung und begehrte, es ihm zu gestatten, seine Tätigkeit wieder aus dem Homeoffice zu erledigen und diese nur in Ausnahmefällen - sofern die Anwesenheit im Büro tatsächlich erforderlich sei - zu unterbrechen. Der klagende Arbeitnehmer war der Ansicht, dass er einen Anspruch auf die Tätigkeit aus dem Homeoffice hatte. Diesen Anspruch leitete er aus § 2 Abs. 4 SARS-CoV-2-ArbSchV in der Fassung vom 21.01.2021 ab. Die Corona-Arbeitsschutzverordnung sah in der Fassung vom 21.01.2021 vor, dass der Arbeitgeber den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten die Erledigung dieser Tätigkeiten in der Wohnung anzubieten hatte, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Nach Ansicht des Klägers gab es keine solchen zwingenden betriebsbedingten Gründen bei dem Arbeitgeber. Schließlich konnten auch die Kollegen, mit denen er zusammenarbeitet, weiterhin im Homeoffice bleiben.

Der Arbeitgeber bestand jedoch darauf, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit wieder aus dem Büro erledigt, da neben Datenschutzbedenken Zweifel aufkamen, ob er seinen Arbeitspflichten im Homeoffice tatsächlich nachgeht.

Die Entscheidung

Das LAG München stellte fest, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf regelmäßige Beschäftigung von seinem Wohnsitz aus hat.

Der Arbeitgeber hatte zwar die Homeoffice-Tätigkeit im Dezember 2020 angeordnet, diese Anordnung aber dann abgeändert, indem er den Arbeitnehmer anwies, künftig seine Arbeitsleistung unter Anwesenheitspflicht im Büro zu erbringen. Diese Änderung war nach Ansicht des LAG München wirksam, da sie vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt war.

Gemäß § 106 S. 1 GewO kann der Arbeitgeber u. a. den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen selbst bestimmen, wenn diese Arbeitsbedingung nicht durch den Arbeitsvertrag, die Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist. Das Weisungsrecht gemäß § 106 GewO erfasst dabei auch das Recht des Arbeitgebers, eine einmal erteilte Weisung mit Wirkung für die Zukunft wieder zurückzunehmen oder zu ändern. Selbst wenn der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht über einen längeren Zeitraum keinen Gebrauch mehr gemacht hat, schafft das nach Ansicht des Gerichts keinen Vertrauenstatbestand, dass dies künftig auch so bleiben wird. Nur wenn besondere Umstände hinzutreten, darf der Arbeitnehmer ausnahmsweise darauf vertrauen, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen.

Das LAG München hat in seiner Entscheidung die wechselseitigen Belange der Parteien berücksichtigt und kam zu dem Schluss, dass die vom Arbeitgeber getätigte Weisung, die Homeoffice-Tätigkeit für den Kläger zu beenden, dem billigem Ermessen entsprach. Insbesondere stand auch der Gleichbehandlungsgrundsatz einer solchen Weisung nicht entgegen. Der Grafiker war nach Auflassung des LAG mit den anderen Mitarbeitenden nicht vergleichbar, so dass er nicht verlangen konnte, mit diesen gleichgestellt zu werden. Darüber hinaus konnte der Arbeitnehmer nicht darlegen, mit Hilfe welcher Datenschutzmaßnahmen er die firmeninternen Daten vor dem Zugriff Dritter geschützt hat. Ferner entsprach die technische Ausstattung am häuslichen Arbeitsplatz nicht der Ausstattung im Büro, was einen zwingenden betrieblichen Grund gegen die Gewährung der Homeoffice-Möglichkeit darstellt

Fazit

Das Gericht betonte noch einmal, dass es laut herrschender Meinung keinen allgemeinen gesetzlichen Anspruch gibt, von zu Hause aus tätig zu werden. Wurde der Arbeitsort vertraglich nicht bestimmt, obliegt es dem Arbeitgeber, diesen gemäß § 106 GewO zu konkretisieren. Der Arbeitgeber kann dann erlauben, die Arbeit von zu Hause aus zu erledigen und diese Erlaubnis dann wieder zurückzunehmen.

Das Urteil lässt aber gerade nicht der Schluss zu, dass der Arbeitgeber die einmal erlaubte Home-Office-Möglichkeit nach Belieben zurücknehmen kann. Das Gericht stellte vielmehr fest, dass der Arbeitgeber in besonderen Situationen durchaus verpflichtet sein kann, einer Tätigkeit im Homeoffice zuzustimmen, wenn zum Beispiel der Arbeitnehmer aufgrund seiner körperlichen Konstitution oder Betreuungs- und Pflegepflichten gegenüber nahen Angehörigen nicht mehr in der Lage ist, die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts nach § 106 GewO näher bestimmte Leistung zu erbringen. In solchen Fällen ist das Ermessen des Arbeitgebers „auf Null“ reduziert.

Ferner besteht auch weiterhin die Gefahr, dass durch die Gewährung der Homeoffice-Möglichkeit eine sog. betriebliche Übung entsteht. Wird die Homeoffice-Tätigkeit vom Arbeitgeber dauerhaft geduldet, kann der Arbeitnehmer einen individualrechtlichen Anspruch darauf erwerben, auch weiterhin im Homeoffice beschäftigt zu werden. Ein durch die betriebliche Übung einmal entstandener Anspruch, schränkt das Direktionsrecht des Arbeitgebers ein. Der Arbeitgeber kann den Ort der Leistungserbringung nicht mehr aufgrund seines Weisungsrechts bestimmen, sondern muss eine Änderungskündigung aussprechen, die an hohe Voraussetzungen geknüpft ist.

Handlungsbedarf für Arbeitgeber

Es ist empfehlenswert, entsprechende Homeoffice-Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern oder Betriebsvereinbarungen mit den Betriebsräten zu schließen und dort h unter anderem die Möglichkeit des Widerrufs der Homeoffice-Tätigkeit zu regeln. Nicht ratsam ist es dagegen, die während des Lockdowns „unbürokratisch“ eingeführte Homeoffice-Tätigkeit einfach ohne besondere Vereinbarung fortzuführen. Diese Handhabung schafft Rechtsunsicherheit und führt im Streitfall zu Problemen.

Sie haben noch Fragen zum Thema und zur rechtssicheren Gestaltung von Homeoffice-Vereinbarungen? Sprechen Sie uns an! Gerne helfen wir Ihnen bei der Erstellung neuer Vereinbarungen sowie Prüfung und – soweit notwendig – Anpassung Ihrer derzeitigen Vertragsunterlagen

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Julia Sontheimer
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