EU-Warenkaufrichtlinie und Änderungen im deutschen Kaufrecht

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CHECKLISTE: EU-Warenkaufrichtlinie und Änderungen im deutschen Kaufrecht



Am 20.05.2019 hatte die EU die Warenkaufrichtlinie (WKRL, Richtlinie EU 2019/771) verabschiedet. Die Mitgliedsstaaten müssen diese in nationales Recht umsetzen und ab dem 01.01.2022 verbindlich anwenden. Nachfolgend stellen wir einige wesentliche Neuerungen vor und zeigen insbesondere auf, wie durch die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht der Sachmangelbegriff im Kaufrecht neu definiert und Regelungen des Verbrauchsgüterkaufs geändert werden.

ÄNDERUNG DES MANGELBEGRIFFS IM KAUFRECHT


| Der Begriff des Sachmangels im § 434 BGB wird geändert. Gemäß § 434 nF (neue Fassung ab dem 01.01.2022) ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen entspricht. Anders als bisher reicht also für die Mangelfreiheit der Kaufsache nicht mehr aus, wenn sie der von den Vertragsparteien vereinbarten Beschaffenheit entspricht. In Zukunft muss sie immer auch den objektiven (branchenüblichen) Anforderungen und den Montageanforderungen genügen. Eine Sache kann damit selbst dann mangelhaft sein, wenn sie die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit hat.

| Die Kaufsache entspricht künftig den subjektiven Anforderungen, wenn sie (1) die vereinbarte Beschaffenheit hat, (2) sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und (3) mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Kaufsache der vertraglichen Vereinbarung der Parteien entspricht.

| Dessen ungeachtet soll ein objektiver Mangel dann vorliegen, wenn sich (1) die Sache nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet, (2) der Sache eine Beschaffenheit fehlt, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung der Art der Sache und der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Akteur der Lieferkette oder in dessen Auftrag, insbesondere Werbung oder auf einem Etikett, abgegeben wurden, (3) die Sache nicht der Beschaffenheit einer Probe oder eines Mus-ters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und (4) die Sache nicht mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhal-tung der Käufer erwarten kann.

| Der neue Mangelbegriff stärkt somit die objektiven Anforderungen an eine Sache. Künftig besteht auch dann ein Mangel, wenn die Sache zwar der vertraglichen Vereinbarung der Parteien entspricht, aber dennoch einen objektiven Mangel aufweist. Dies kann im B2B-Bereich zwar grundsätzlich durch eine (negative) Beschaffenheitsvereinbarung vertraglich anders geregelt werden. Hiervon müssen die Parteien des Kaufvertrags aber auch Gebrauch machen.

| Im Verbrauchsgüterkauf ist eine (negative) Beschaffenheitsvereinbarung jedoch nur eingeschränkt und unter den engen Voraussetzungen des § 476 I S. 2 BGB nF möglich. Der Verbraucher muss zunächst vorvertraglich informiert werden, dass ein bestimmtes Merkmal der Kaufsache von den objektiven Anforderungen an Sachen derselben Art abweicht. Die eigentliche Beschaffenheitsvereinbarung kann sodann nur individuell und gesondert getroffen werden.

| Weitere Änderungen ergeben sich durch die neuen §§ 475b ff. BGB nF. Durch § 475b BGB nF wird eine gänzlich neue Sachkategorie geschaffen: die der Sache mit digitalen Elementen. Bei einer Sache mit digitalen Elementen handelt es sich um eine Sache, die in einer solchen Weise digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen enthält oder mit ihnen verbunden ist, dass sie ihre Funktion ohne diese digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht erfüllen kann. Beispiele für Sachen mit digitalen Elementen sollen etwa Smartwatches, Smartphones, Digitalkameras oder Spielekonsolen sein. Anwendung findet diese Regelung nur auf Verbrauchsgüterverträge.

AKTUALISIERUNGSPFLICHT DES VERKÄUFERS FÜR SACHEN MIT DIGITALEN ELEMENTEN


| Neu hinzukommt eine Aktualisierungspflicht des Unternehmers für digitale Elemente. Nach § 475b Abs. 3 und 4 BGB nF muss der Unternehmer Aktualisierungspflichten erfüllen, um die Mängelfreiheit der von ihm verkauften Sache zu gewährleisten. Abs. 3 verpflichtet zur Durch-führung der vereinbarten Aktualisierungen und Abs. 4 verpflichtet zur Durchführung derjenigen Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Sache erforderlich sind. Die Dauer der Aktualisierungspflicht kann je nach Produkt unterschiedlich sein und ist gesetzlich nicht festgelegt. Der Zeitraum beträgt jedenfalls mindestens die gesetzliche Gewähr-leistungsfrist von zwei Jahren und kann nicht vertraglich verkürzt werden.

| Dadurch wird der Kaufvertrag teilweise zum Dauerschuldverhältnis. Gleiches gilt für die dauerhafte Bereitstellung digitaler Elemente, welche zusätzlich den speziellen Regelungen des § 475c BGB nF unterliegt. Der Unternehmer ist hiernach nicht nur verpflichtet, digitale Elemente bereitzustellen, sondern diese auch während des Bereitstellungszeitraums in einem vertragsgemäßen Zustand zu erhalten. Digitale Elemente, die dauerhaft bereitzustellen sind, können beispielsweise Verkehrsdaten in einem Navigationssystem, die Cloud-Anbindung bei einer Spielekonsole oder eine Smartphone-App zur Nutzung verschiedener Funktionen sein.

| Fehlt eine vertragliche Vereinbarung zur Dauer der Aktualisierungspflicht, kommt es nach § 475b Abs. 4 Nr. 2 BGB nF auf die objektiv zu bestimmende und damit vernünftigerweise zu erwartende Verbrauchererwartung an. Um Unklarheiten und Streit darüber vorzubeugen, was der Verbraucherkunde erwarten durfte, sollte der Verkäufer Umfang und Zeitraum der Aktualisierungspflicht klar vertraglich regeln.

VERLÄNGERTE BEWEISLASTUMKEHR UND VERJÄHRUNGSFRISTEN


| Die Beweislastumkehr des § 477 BGB wird von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert. Nach der Neuregelung des § 477 BGB gilt nun bei Verbrauchsgüterkäufen somit die Vermutung, dass eine Sache, bei der sich ein Mangel innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang zeigt, bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war. Der Mangel kann sich auf die Anforderungen des § 434 BGB nF oder § 475b BGB nF beziehen.

| Zeigt sich ein Mangel innerhalb der regulären Verjährungsfrist von zwei Jahren, so tritt die Verjährung nicht vor dem Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat. Das kann dazu führen, dass wenn sich ein Mangel erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist zeigt, sich diese von 24 Monaten auf 26 Monate verlängert.

| Bei Sachen mit digitalen Elementen beginnt die Verjährung wegen eines Mangels an den digitalen Elementen erst nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende des Bereitstellungs- und Aktualisierungszeitraums. Um für Klarheit hinsichtlich der Verjährung zu sorgen, sollte der Verkäufer in jedem Fall den Umfang und den Zeitraum der Aktualisierungspflicht vertraglich regeln.

| Unabhängig vom Produkt muss der Käufer bei Verbrauchsgüterkäufen künftig für seine Rechte auf Rücktritt und Schadensersatz keine Frist zur Nacherfüllung mehr setzen. Bereits mit der Mängelrüge des Verbrauchers beginnt eine angemessene Frist zu laufen.

WAS IST FÜR VERKÄUFER JETZT ZU TUN?



| To-do 1: Objektive Produktstandards ermitteln und definieren

| To-do 2: Verkaufs-AGB prüfen und aktualisieren

| To-do 3: Rahmenliefervereinbarungen prüfen und aktualisieren

| To-do 4: Vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung mit Käufern treffen

| To-do 5: Umfang und Zeitraum der Aktualisierungspflichten vertraglich regeln


Sie haben noch Fragen zum Thema und zur rechtssicheren Umsetzung der Gesetzesänderung innerhalb Ihrer Vertriebsprozesse? Sprechen Sie uns an! Gerne helfen wir bei der Prüfung und – soweit notwendig – Anpassung Ihrer derzeitigen AGB und Vertragsunterlagen. | tradeo

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Dr. Fabian Breckheimer

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