Handlungsbedarf für Unternehmen: Zum 01. August 2022 müssen Arbeitsverträge neu gestaltet werden.

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Arbeitsrechtliche Berichterstattung von Julia Sontheimer

Julia Sontheimer, Fachanwältin für Arbeitsrecht, informiert regelmäßig über praxisrelevante arbeitsgerichtliche Entscheidungen.

Handlungsbedarf für Unternehmen: Zum 01. August 2022 müssen Arbeitsverträge neu gestaltet werden.

Der Bundestag hat am 23.06.2022 Änderung des Nachweisgesetzes sowie weiterer Gesetze betreffend die Arbeitsbedingungen beschlossen.

In diesem Beitrag stellen wir dar, welche Auswirkungen diese Änderungen auf die Arbeitsverhältnisse haben und was künftig zu beachten ist.

I. ÄNDERUNG DES NACHWEISGETZES
1. Was regelt überhaupt das Nachweisgesetz?

Im Nachweisgesetz sind die Pflichten der Arbeitgebenden zur Unterrichtung der Beschäftigten über die für ihre Arbeitsverhältnisse geltenden Bedingungen geregelt.

Die Fixierung der wesentlichen Arbeitsbedingungen soll der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in den Arbeitsverhältnissen dienen.

Nach den aktuellen Vorschriften des Nachweisgesetzes müssen die Beschäftigten spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses über die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich unterrichtet werden. Diese schriftliche Unterrichtung muss unterzeichnet und den Beschäftigten ausgehändigt werden.

2. Welche Angaben müssen nach den bisherigen Regelungen des Nachweisgesetzes im Arbeitsvertrag enthalten sein?

Nach dem jetzigen Stand müssen mindestens folgende Angaben im Arbeitsvertrag schriftlich fixiert werden:

a) der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,

b) der Beginn des Arbeitsverhältnisses,

c) bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,

d) der Arbeitsort oder ein Hinweis darauf, dass die Tätigkeit an verschiedenen Orten erfolgen kann,

e) eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der Tätigkeit,

f) die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit,

g) die vereinbarte Arbeitszeit,

h) die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,

i) Kündigungsfristen,

j) allgemeiner Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.

3. Was soll sich nun ändern?

Der oben dargestellte Katalog wurde durch die Änderung des Nachweisgesetzes zum 01. August 2022 nun um weitere Mindestangaben erweitert. Die Unterrichtungspflichten sind somit noch umfassender geworden.

Zusätzlich gelten künftig kürzere Fristen für die Aushändigung der Niederschrift mit den Vertragsbedingungen bzw. für die Aushändigung des Arbeitsvertrages.

Bislang galt eine Frist von einem Monat für die Aushändigung der wesentlichen Vertragsbedingungen. Ab dem 01. August 2022 müssen solche Angaben, wie der Namen und Anschrift der Vertragsparteien, die Höhe des Arbeitsentgelts und die vereinbarte Arbeitszeit bereits am ersten Arbeitstag den Beschäftigten in Schriftform ausgehändigt werden.

Weitere Informationen müssen spätestens am siebten Kalendertag oder innerhalb der Monatsfrist nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses den Beschäftigten ausgehändigt werden.

Empfehlenswert ist die sofortige Aushändigung einer einheitlichen und umfassenden Vertragsurkunde, damit nicht mehrere Fristen notiert und mehrere Schriftstücke erstellt werden müssen.

Sollten sich im Laufe des Arbeitsverhältnisses wesentliche Vertragsbedingungen ändern, müssen diese zukünftig bereits an dem Tag, an dem die Änderungen wirksam werden, den Beschäftigten schriftlich mitgeteilt werden.

4. Was ist der Hintergrund dieser Gesetzesänderung?

DDie EU-Richtlinie 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union verpflichtet die Mitgliedstaaten, bis zum 31. Juli 2022 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die erforderlich sind, um den Vorgaben der Arbeitsbedingungenrichtlinie nachzukommen.

Spätestens ab 1. August 2022 sind die in der Richtlinie festgelegten Rechte und Pflichten auf alle Arbeitsverhältnisse anzuwenden.

Da in Deutschland zwar schon sehr viele, aber nicht alle Anforderungen der Richtlinie erfüllt waren, ist eine Anpassung des Nachweisgesetzes notwendig geworden.

5. Welche konkreten Änderungen sieht das neue Nachweisgesetz vor?

Das Nachweisgesetz wird unter anderem um folgende Punkte ergänzt:

• Die Dauer der Probezeit muss künftig angegeben werden.

• Neben dem Arbeitsort muss angegeben werden, wenn der Arbeitsort frei gewählt werden kann.

• Neben der Arbeitszeit müssen die vereinbarten Ruhepausen und -zeiten, bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen angegeben werden.

• Bei Arbeit auf Abruf sind umfassende Unterrichtungspflichten vorgesehen.

• Die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen müssen ebenfalls im Vertrag festgehalten werden.

• Ein etwaiger Anspruch auf Teilnahme an Fortbildungen muss angegeben werden.

• Die Identität des Versorgungsträgers im Falle der betrieblichen Altersversorgung muss vertraglich fixiert werden.

• Bei einer Entsendung sind ebenfalls umfassende Unterrichtungspflichten vorgesehen.

6. Was ändert sich noch?

Die wohl relevanteste Änderung sieht das Nachweisgesetz hinsichtlich der Unterrichtung über das Kündigungsverfahren vor.

In den Vertragsurkunden müssen Hinweise auf

• das bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses einzuhaltende Verfahren,

• das Schriftformerfordernis,

• die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses,

• sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage
enthalten sein.

Insbesondere waren bislang die Hinweise auf das bei einer Kündigung einzuhaltende Verfahren und die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage üblicherweise nicht in Arbeitsverträgen enthalten.


7. Welche Konsequenzen drohen bei Nichterfüllung dieser Pflichten?

Das bisherige Nachweisgesetz sah keine Konsequenzen bei Verletzung der Hinweispflichten vor. Das soll sich nun ändern.

Werden die Hinweispflichten

• nicht richtig,

• nicht vollständig,

• nicht in der vorgeschriebenen Weise oder

• nicht rechtzeitig

erfüllt, handelt es sich um Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbußen von bis zu 2.000 EUR pro Verstoß geahndet werden können.

8. Müssen jetzt alle Alt-Arbeitsverträge neu gefasst werden?

Grundsätzlich betreffen die Änderungen alle Arbeitsverhältnisse.

Bei den Arbeitsverhältnissen, die aber bereits vor dem 1. August 2022 bestanden haben, muss die Niederschrift mit den wesentlichen Vertragsbedingungen (auch bezüglich der neuen Hinweispflichten) nur auf Verlangen der Beschäftigten ausgehändigt werden. Ein neuer Arbeitsvertrag ist dafür grundsätzlich nicht erforderlich. Die Informationen könnten zum Beispiel in einem gesonderten Dokument zusammengestellt werden.

Die Niederschrift mit den wesentlichen Vertragsbedingungen ist spätestens am siebten Tag nach Zugang der Aufforderung des Beschäftigten diesem auszuhändigen.

9. Wo besteht jetzt konkret Handlungsbedarf für Unternehmen?

Vorhandene Vertragsvorlagen und -Muster müssen überarbeitet und an die neue Rechtslage angepasst werden.

Die bisherigen Vertragsvorlagen entsprechen im Zweifel nicht mehr den aktuellen gesetzlichen Anforderungen und können bei Weiterverwendung Bußgelder nach sich ziehen.

II. WEITERE ÄNDERUNGEN
1. Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes

Beim Teilzeit- und Befristungsgesetz sind folgende Änderungen vorgesehen:

• Bei befristeten Arbeitsverhältnissen, die länger als sechs Monate bestehen, können die Beschäftigten den Wunsch nach einer Entfristung ihres Arbeitsverhältnisses in Textform anzeigen. Die Arbeitgebenden müssen innerhalb eines Monats nach Zugang dieser Anzeige den Beschäftigten eine Antwort bezügliches ihres Wunschs in Textform mitteilen du diese auch begründen. Inhalt und Umfang der Begründung wurden im Gesetz aber nicht geregelt.

• Wurde in einem befristeten Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, muss diese in einem angemessenen Verhältnis zur Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses und zur Art der Tätigkeit stehen. Hiervon werden voraussichtlich insbesondere kurze Befristungen betroffen sein.

2. Änderung der Gewerbeordnung

Die Änderung der Gewerbeordnung bezieht sich auf Pflichtfortbildungen.

Sind Arbeitgebende durch Gesetz Tarifvertrag oder Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet, den Beschäftigten eine für die Erbringung der Arbeitsleistung erforderliche Fortbildung anzubieten, dürfen sie die Kosten hierfür nicht den Beschäftigten auferlegen.

Verpflichtende Fortbildungen sollen während der regelmäßigen Arbeitszeit durchgeführt werden. Werden diese außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit durchgeführt, gelten sie als Arbeitszeit.

3. Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes

Folgende Änderungen sind im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vorgesehen:

• Dem Leiharbeitnehmer ist künftig vor jeder Überlassung Firma und Anschrift des Entleihers in Textform mitzuteilen.

• Zudem hat der Entleiher einem Leiharbeitnehmer, der ihm mindestens sechs Monate überlassen ist und der ihm in Textform den Wunsch nach Abschluss eines Arbeitsvertrags angezeigt hat, innerhalb eines Monats eine begründete Antwort in Textform mitzuteilen.

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