tradeo Arbeitsrecht:
Corona-Schutzimpfung durch die Betriebsärzte

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Hinweise von tradeo Expertin für Arbeitsrecht Julia Sontheimer

Immer mehr Unternehmen möchten aktuell ihren Beschäftigten eine Schutzimpfung gegen COVID-19 durch ihre jeweiligen Betriebsärzte anbieten.

In mehreren Bundesländern laufen bereits Modellprojekte und es werden bereits Beschäftigte durch Betriebsärzte geimpft.

Bereits Anfang März 2021 hatten Bund und Länder beschlossen, dass die Betriebsärzte in die Impfkampagne eingebunden werden sollen, um diese zu beschleunigen. Laut der aktuellen Fassung der Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) können Impfungen ausdrücklich auch durch beauftragte Fachärzte für Arbeitsmedizin, Betriebsärzte und überbetriebliche Dienste von Betriebsärzten durchgeführt werden. Als beauftragt gelten die Arbeitsmediziner, Betriebsärzte und Dienste von Betriebsärzten, sobald ihnen vom Bund oder einem Land Impfstoff zur Verfügung gestellt wird.

Im Zusammenhang mit der Durchführung solcher Impfungen ergeben sich wichtige Fragestellungen für die Arbeitgeber, die sinnvollerweise vor der Unterbreitung eines Impfangebots an die Beschäftigten geklärt werden müssen.

Auf einige dieser Fragestellungen gehe ich nachfolgend im ersten Teil dieses Beitrags ein (Fortsetzung folgt).



1. Unterbreitung des Impfangebots

Festzuhalten ist zunächst, dass die Unterbreitung eines Impfangebots gegenüber dem Arbeitnehmer eine freiwillige Leistung seitens des Arbeitgebers darstellt. Arbeitnehmer haben nach aktueller Rechtslage keinen Anspruch darauf, geimpft zu werden, gleichzeitig aber auch keine Verpflichtung, das durch den Arbeitgeber unterbreitete Impfangebot in Anspruch zu nehmen.

2. Haftungsfragen

Viele Betriebe befürchten Haftungsrisiken, so z.B. wenn die Impfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde oder negative Folgen wie Gesundheitsschäden nach der Impfung aufgetreten sind (sog. Impfschäden).

Das Bundesarbeitsgericht hat sich zu Haftungsfragen im Zusammenhang mit Impfungen in seinem Urteil vom 21. Dezember 2017 (8 AZR 853/1) geäußert. In dieser Entscheidung ging es um die betriebliche Grippeschutzimpfung. Die in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze dürften aber auch für eine COVID-19-Schutzimpfung gleichermaßen gelten. Ist zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern kein Behandlungsvertrag zustande gekommen, haftet der Arbeitgeber nicht für Impfschäden. Vielmehr ist der Arbeitgeber in einem solchen Fall lediglich dazu verpflichtet, den Impfarzt sorgfältig auszuwählen. Ist er dieser Verpflichtung nachgekommen, treffen ihn weder Überwachungspflichten hinsichtlich der Durchführung der Impfung noch muss er sich etwaige Pflichtverletzungen des Impfarztes, z.B. im Hinblick auf Aufklärungspflichten, zurechnen lassen. Das gilt selbst dann, wenn die Impfung in den Räumlichkeiten des Unternehmens durchgeführt wird.

Aus Arbeitgebersicht ist es somit durchaus erstrebenswert, dass kein Behandlungsvertrag zwischen ihm und seinen Arbeitnehmern entsteht. Um einem solchen Vertragsverhältnis vorzubeugen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

(i) der Betriebsarzt darf nicht beim Arbeitgeber angestellt sein,

(ii) der Betriebsarzt muss im eigenen Namen zur Impfung einladen;

(iii) die Impfung muss in einem Bereich des Betriebs stattfinden, in welchem üblicherweise keine Behandlungsleistungen erbracht werden (Dieser Punkt ist nur für Krankenhäuser und Arztpraxen o.ä. relevant).

Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Arbeitnehmer über mögliche Risiken der Impfung aufzuklären. Er muss sich dann auch einen etwaigen Verstoß der impfenden Ärzte gegen die Aufklärungspflichten nicht zurechnen lassen. Solche Pflichten ergeben sich auch nicht aus den zwischen Arbeitgeber und seinen Angestellten bestehenden Arbeitsverhältnissen.

Ob zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern ein eigenständiger Behandlungsvertrag zustande gekommen ist, hängt vom konkreten Konzept und davon ab, wie die Durchführung der Impfungen organisiert wurde.

Lädt der Arbeitgeber in eigenem Namen zur Impfung ein und übernimmt er die vollständige Organisation, wie Stellung von Räumlichkeiten, Zahlung von Impfprämien für die Angestellten, Übernahme der Kosten der Impfungen, spricht das für das Zustandekommen eines Behandlungsvertrages.

Das Konzept bezüglich der Durchführung von Impfungen muss also sorgfältig erarbeitet werden, damit die Impfung nicht als Leistung des Arbeitgebers verstanden werden kann.

3. Allgemeine Führsorgepflichten

Arbeitgeber müssen weiterhin darauf achten, dass in den Räumlichkeiten, in denen die Impfungen durchgeführt werden sollen, das aktuelle Hygienekonzept eingehalten wird. Es darf nicht dazu kommen, dass sich zum Beispiel in den Wartebereichen Menschenansammlungen bilden und das Infektionsrisiko hierdurch steigt.

Da der Arbeitgeber allgemeine Führsorgepflichten gegenüber seinen Beschäftigten hat, besteht auch weiterhin die Pflicht zur Beachtung der Vorsichtsmaßnahmen. Bei der Erarbeitung des Impfkonzepts ist somit eine enge Zusammenarbeit mit dem Betriebsarzt und den Fachkräften für Arbeitssicherheit empfehlenswert.

Eine Haftung für den ausbleibenden Impfschutz ist nur bei Vorliegen besonderer Umstände, wie z.B. Zusicherung des Schutzes vor Erkrankung, denkbar.

4. Gesetzliche Unfallversicherung

In der Regel werden Kosten für Gesundheitsschäden der Beschäftigten, die im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit auftreten, durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt.

Es gilt das sog. Haftungsprivileg. Ob dieses Haftungsprivileg beim Auftreten von Impfschäden gilt, ist nicht eindeutig geklärt.

Das Bundessozialgerichts (BSG) hat im Jahre 1974 entschieden, dass zwischen dem durch eine Grippeschutzimpfung ausgelösten Impfschaden und der versicherten beruflichen Tätigkeit kein kausaler Zusammenhang bestehe, da eine Impfung dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzuordnen sei. Wird eine Impfung vom Arbeitgeber selbst angeboten, würde er bei Auftreten von Impfschäden nicht in den Genuss des Haftungsprivilegs kommen.

Ob diese in dieser (veralteten) Entscheidung aufgestellten Grundsätze auf die Schutzimpfungen gegen COVID-19 übertragen werden können, ist sehr zweifelhaft. Angesichts der massiven betrieblichen Einschränkungen, die im Falle einer Infektion drohen, könnte eine Notwendigkeit der Impfung zur gesicherten Fortführung des Betriebs gegeben sein und damit eine versicherte Leistung darstellen, so dass die gesetzliche Unfallversicherung für die eventuellen Impfschäden haften würde.

5. Kosten der Impfung

Aktuell ist gesetzlich vorgesehen, dass der Bund die Impfstoffe beschafft, verteilt und auch finanziert.

Die Impfleistungen, die die Betriebsärzte und die überbetrieblichen Dienste von Betriebsärzten erbringen, sind abrechenbar. Die Abrechnung von Impfleistungen erfolgt bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Das Abrechnungsverfahren ist in § 9 der Corona-Impfverordnung und in den Vorgaben der kassenärztlichen Bundesvereinigung für die Vergütung von Impfleistungen genau beschrieben. Voraussetzung für die Abrechnung ist eine Registrierung bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung. Die Betriebsärzte müssen sich vor der ersten Abrechnung bei der Kassenärztlichen Vereinigung in ihrem Bezirk registrieren und können ihre Leistungen abrechnen. Die Kassenärztliche Vereinigung übernimmt die Abrechnung sowohl für die gesetzlich als auch für die privat Versicherte.

Die Kassenärztliche Vereinigung nimmt die Abrechnungsunterlagen an, prüft diese und leitet sie gesammelt an das Bundesamt für Soziale Sicherung weiter. Die Kosten für die erbrachten Impfleistungen werden sodann vom Bundesamt für Soziale Sicherung erstattet.

Weitere Voraussetzung für die Abrechnung durch die Betriebsärzte ist, dass die Leistungen nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses in einem Betrieb oder im Rahmen einer Tätigkeit für einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten durchgeführt oder anderweitig im Wege einer Beauftragung durch ein Unternehmen vergütet werden.

Vergütet also der Arbeitgeber die durch die Betriebsärzte erbrachten Impfleistungen selbst, ist keine Kostenerstattung durch das Bundesamt für Soziale Sicherung möglich. Entscheidet sich der Arbeitgeber für eine solche Vorgehensweise, kommen höchstwahrscheinlich auch die Behandlungsverträge zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern zustande, so dass sich die oben erläuternden Haftungsproblematiken stellen (Haftung durch den Arbeitgeber selbst und kein Versicherungsschutz durch die gesetzliche Unfallversicherung).

6. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Entscheidet sich der Arbeitgeber dafür, freiwillig seinen Angestellten ein Impfangebot unterbreiten zu wollen und ist im Betrieb ein Betriebsrat vorhanden, muss dieser über das Impfangebot unterrichtet werden. Gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt und eingehalten werden. Der Betriebsrat hat Überwachungspflichten, wenn es um den Schutz der Beschäftigten vor Unfällen und Krankheiten im Betrieb geht. Je nach Gestaltung des betrieblichen Impfkonzepts können Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats tangiert werden. Möchte der Arbeitgeber etwa nach der Aufhebung der Impfpriorisierung seine Mitarbeiter in einer bestimmten Reihenfolge impfen und somit eine unternehmensinterne Priorisierung einführen, muss der Betriebsrat zwingend beteiligt werden. Auch bei der Einführung bestimmter Anreize, um die Impfwilligkeit der Beschäftigten zu erhöhen, ist der Betriebsrat zwingend zu beteiligen.

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Julia Sontheimer
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